Donnerstag, 5. Juli 2012

"Rentner belagern Villa"

So lautete die Überschrift in der Printausgabe der Hessisch Niedersächsischen Allgemeinen (HNA) vom 4. Juli 2012. HNA Online behandelt die gleiche Meldung - leicht variiert - unter der Überschrift "Berliner Rentner besetzen Villa".
Worum geht es vordergründig? Eine Berliner Villa, die bisher von einem ziemlich aktiven Seniorenclub genutzt wurde, soll verkauft werden, weil Unterhalts- und notwendige Reparaturkosten der Bezirksverwaltung zu hoch sind.
Eigentlich nichts aufregendes in Zeiten von verschuldeten Kommunen und allgegenwärtigen Sparzwängen.
Schließlich geht es hier ja nur um Menschen - noch dazu Rentner - und nicht um Banken. Und trotzdem werden hier einige Dinge erschreckend deutlich.
Der stellvertretende Bezirksbürgermeister wird mit den Worten "Dass Senioren ein Haus besetzen ist für uns neu" zitiert.
Und die zuständige Stadträtin begründete die Schließung mir Sparzwängen und dem Vorhandensein "anderer Angebote für Senioren in fußläufiger Erreichbarkeit".

Zwei Dinge finde ich besonders bemerkenswert:
Zum einen macht sich scheinbar niemand Gedanken darüber, ob und wenn ja wie eine relativ große, in sich gefestigte Gruppe in "andere Angebote" integriert werden kann, oder ob "fußläufige Erreichbarkeit" nicht ohnehin die Zersplitterung und Aufteilung der Gruppe auf verschiedene Angebote bedeutet.

Erschüttert bin ich aber restlos von der Aussage des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters. Welches Altersbild liegt denn einer solchen Verwunderung zugrunde? Wenn der Herr sich mal für einige Minuten eine Auszeit nehmen würde statt zu reden, würde er vielleicht darauf kommen, dass Teile der jetzt alt werdenden Bürgerinnen und Bürger vor ca. einem halben Jahrhundert schon einmal mächtig in die Politik "eingebrochen" sind und eine stärkere Demokratisierung unseres Landes erreicht haben. Wann lesen und begreifen Politiker endlich mal die von ihnen selbst in Auftrag gegebenen und letztlich verabschiedeten Altenberichte?

In fast allen Altenberichten und anderen einschlägigen Publikationen wird von den "neuen Alten" berichtet, ein Altenbericht ist sogar ausschließlich den Altersbildern in unserer Gesellschaft gewidmet.

Selbst die Medien wundern sich zur Zeit in schöner Regelmäßigkeit über die hohe Anzahl von älteren Bürgerinnen und Bürgern bei den verschiedensten Demonstrationen und Protestveranstaltungen.

Aber weder Politik noch Medien scheinen wirklich zu verstehen, das der viel zitierte demografische Wandel eben doch viel mehr ist als nur eine wachsende Zahl von älteren Menschen, die es einmal zu pflegen gilt.

Ich wünsche weiterhin einen angenehmen und möglichst ungestörten Schlaf..........bis zur nächsten "Überraschung".

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