Mittwoch, 4. August 2010

Das Alter - Achten statt Ächten

Diesen Artikel von Caroline Fetcher fand ich im Tagesspiegel:

"Ey, Alter! Mit dem Anruf wenden sich ausgerechnet Jugendliche an ihre Kumpels. Oft signalisiert die Anrede umstandslose Nähe, meist auch leicht ironisch verkleideten Respekt, die Anerkennung des anderen. Vor dem echten Alter, den alten Menschen haben dieselben Jugendlichen in der Regel wenig Achtung und geben damit nicht selten nur weiter, was sie selber erfahren haben.
Vielleicht schwingt in der Anrede, die scheinbar sinnentleert verwendet wird, der Rest eines Wunsches mit nach einer Gesellschaft, die vertrauensvolles Gefüge der Genrationen kennt, das Achten der Alten wie der Jungen?

Über die Alten ist immer häufiger zu hören, was in der Politik auch gern über die Jungen gesagt wird, nämlich dass sie teuer sind, unproduktiv und keine profitable Zukunft haben. Unfinanzierbare Rentengarantie, steigende Gesundheitskosten, zu viele neue Hüftgelenke: In aktuellen Schlagzeilen ist das Alter meist ein Problem, ein kostspieliges.
In der Werbung dagegen finden sich mobile, zahlungskräftige Pensionäre, interessant als Zielgruppe für Kreuzfahrtangebote wie für stärkende Kräutersäfte. Beide Porträt-Genres spiegeln nur Fragmente der Realität wider. Es stimmt, dass das Alter nicht mehr das ist, was es mal war, oder jedenfalls mal sein sollte. Alter bedeutet meist nicht mehr den Rückzug ins bedächtige Beobachten des Treibens der Welt, als lebenssatter Zaungast. Viele der Rentner von heute tragen Jeans und T-Shirts, haben in ihrer Jugend Rock´n Roll gehört, sind online vernetzt und bilden sich weiter. Ganz hanseatische Sphinx, gibt der 92-jährige Ex-Kanzler noch immer bissige Interviews und ist beliebter als alle jüngeren zusammen. Die "Uhus", wie die Unterhundertjährigen neuerdings genannt werden, wollen noch allerhand vom Leben. Und sie werden immer mehr. eine alternde Gesellschaft verlängert zwar das Jungsein und sie transformiert die Generationenfrage - aber noch kaum unseren Diskurs. Der Zivilisationsgrad einer Gesellschaft lässt sich am Umgang mit ihren schwächsten Gruppen messen, also auch an ihrem Verhältnis zu den Kleinsten und den Ältesten, zu Kindern und Rentnern. Auffällig ist hier, dass und wie diese beiden Gruppen im öffentlichen Diskurs primär als problematisch gelten, als teuer oder lästig.
Aus wessen Perspektive, in wessen Diskurs? Aus dem Blickwinkel derer, die ökonomisch und politisch aktuell im Einsatz sind, an der Macht. Diese Gruppe beklagt unter Bedauern und mit Sorgenfalten die Kosten für Kitaplätze und Pflegeplätze, die Forderungen nach höheren Renten oder niedrigen Betreuungsschlüsseln an Schulen und Kindergärten.
Erstaunlich daran ist der kardinale Denkfehler, mit dem suggeriert wird, die Generationen seien drei getrennte, konkurrierende Gruppen, die wie ökonomische Klassen miteinander im Wettstreit liegen. Dabei ist jeder Mensch im Lauf des Lebens drei Genrationen, das gilt auch für die Weichensteller von heute. Sie waren Kinder, sind erwerbstätige Erwachsene und werden Rentner sein. Bei Tag und bei Nacht dreht sich die Erde, Zeit vergeht immerzu.
Ey, wir altern. Und zwar alle. Zwei Richtungen kennt die Zeitachse in der Physik, das Vergangenheitsunendliche und das Zukunftsunendliche. Auf einem geheimnisvollen Punkt der Achse halten wir uns jeweils im imaginären Jetzt auf. Zur egoistischen Fixierung auf diesen Punkt kommt es, wenn die Logik der Zeitachse geleugnet und verdrängt wird. Diesen Vorgang, der an allererster Stelle die Entsolidarisierung, die Entkoppelung der Generationen bewirkt, verdankt die Gesellschaft der Blindheit derer, die meinen, über das Heute zu herrschen, ohne je Kinder gewesen zu sein oder jemals Rentner zu werden.
Das inakzeptable Resultat davon heißt Empathiearmut, die dümmste Armut, die es gibt. Denn sie ist eine vollkommen vermeidbare. Erster Schritt zum Beenden der Empathiearmut wäre mehr Bewusstsein für die Zeitachse, denn der Punkt "jetzt" auf der Achse ist pure Illusion."

1 Kommentar:

  1. Empathie setzt die Auseinandersetzung mit sich selbst und den eingenen Gefühlen, Wünschen und Bedürfnissen voraus.Empathie ist ein in uns wohnendes tiefes Bedürfnis das durch die Liebe und Anerkennung auch und gerade zu sich selbst geleitet gegeben werden kann.Empathie bedeutet nicht Verständnis haben und dadurch Lösungen, Trost oder andere Dinge zu geben.Empathie bedeutet präsent sein, ganz offen und frei und nicht nur mit den Ohren sondern mit dem ganzen Wesen zu hören und zu spüren.Es gelingt nicht immer Empathie zu geben, aber das Gefühl eines Friedens in einer angeblich fremden Begegnung zu spüren, ist etwas was man sich selbst schuldig ist.Im Wege steht dem unser eigens Gedankenkonzert von Be-und Verurteilungen, Wertungen mit denen wir unsere Mitmenschen in Schachteln und Schubladen packen ohne sie wirklich so zu sehen wie sie sind.Eigene Begegnungsängste bringen uns eine gesunde Offenheit und meist ist dann auch noch der Gegenüber schuldig.Unsere Kommunikation hat eine rohe Gewalt und wir haben verlernt wie man ein Gefühl ausspricht,aber erwarten verstanden zu werden.Einigen von uns tut nun der Kopf von vielem Denken weh und der Weg zurück zum Herzen ist bereitet...nun dieses hätten wir gewiss von unseren wahren Alten lernen können, hätten wir ihnen mit Liebe und Empathie zugehört und sie nicht an den Rand unsere Städte verschoben.Wir bringen uns selbst um das kostbare Gut etwas aus einem gelebten Leben zu erfahren und es mit auf unsere eigene Reise zu nehmen.Mit diesem Wissen hätten wir alle dann vielleicht auch gar nicht mehr so viel Angst vor dem Sterben und würden schon inmitten des Lebens beginnen unseren eigenen Frieden zu schaffen.

    AntwortenLöschen