Mittwoch, 7. Dezember 2011

"Einkommensungleichheit in Deutschland wächst"

so lautet der Titel einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), die vor wenigen Tagen der Presse vorgestellt wurde und in fast allen Medien ihren Niederschlag fand.

Die Studie selbst war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht veröffentlicht, das geschah erst gestern - und zwar ausschließlich in englischer, französischer und portugiesischer Sprache, wie OECD und Verlag auf Anfrage mitteilten.
So bleibt als Grundlage für eine erste Auseinandersetzung nur das Material, das von der OECD vorab den Medienvertretern zur Verfügung gestellt wurde und von den Medien veröffentlicht wurde.

Das ist nicht all zu viel, aber allemal brisant.
Während sich in anderen Staaten die Einkommenskluft verringert hat, ist sie in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren größer geworden und erheblich stärker gewachsen als in den meisten Industrienationen.

Zur Veranschaulichung: Das Nettoeinkommen der 10 % Deutschen mit den höchsten Einkommen liegt bei durchschnittlich 57.300 Euro im Jahr und damit acht mal so hoch wie das Einkommen der 10 % Deutschen mit den geringsten Einkommen von durchschnittlich 7.400 Euro (ohne staatliche Transferleistungen).
Laut OECD lag das Einkommensverhältnis Anfang der neunziger Jahre noch bei sechs zu eins.

Die Gründe für diese Entwicklung sind wahrscheinlich vielfältig, aber die Entwicklung der Löhne und Gehälter dürften den größten Anteil haben. Die verfügbaren Haushaltseinkommen sind in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren vor der Finanzkrise durchschnittlich um 0,9 % jährlich gestiegen. Aber nicht in allen Einkommensklassen gleichermaßen.

Die Gutverdiener legten im Schnitt um 1,6 % pro Jahr zu, während sich die Niedrigverdiener mit 0,1 % begnügen mussten. Lag der Zuwachs der Gutverdiener damit immer noch über der Inflationsrate, so mussten die Niedrigverdiener bereits reale Einkommensverluste hinnehmen.

Oje, höre ich da schon wieder den Vorwurf der "Neiddebatte"?

Zur Studie selbst. Die bisher vorgestellten (bzw. von den Medien veröffentlichten) Zahlen betreffen erst einmal nur zwanzig Prozent der Bevölkerung. Und wer - wie ich - zu den achtzig Prozent dazwischen gehört, scheint von der Einkommensverteilung, Einkommensentwicklung oder Einkommenskluft nicht betroffen?
Darüber geben die Vorab-Informationen der OECD keine Antwort, das bleibt der Studie selbst vorbehalten.
Die ja jetzt erschienen ist!
In Englisch, Französisch und Portugiesisch!
Warum nicht in Deutsch? Sollen wir die Studie nicht lesen können?

Wer schon einmal versucht hat, eine wissenschaftliche Studie in seiner eigenen Muttersprache zu lesen und zu verstehen, der hat vielleicht eine Vorstellung davon was es bedeutet, dieses in einer Fremdsprache zu tun. Selbst sehr gute Kenntnisse der Umgangssprache werden dafür nicht ausreichen.

Wir "Normalverbraucher" werden wohl auf die Brocken angewiesen sein, die man uns gnädig hinwirft - für mich ein eindeutiger Akt der Des-Information.

Quellen: Heute-Journal am 5. Dezember, Hessisch Niedersächsische Allgemeine (HNA) Printausgabe vom 6. Dezember, Zeit online, FAZ, Stern.de, Focus online

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